Wir können von Glück sagen, dass wir in Deutschland grundsätzlich über eine gute Lebensmittelversorgung verfügen. Das ist wirklich ein großes Glück und keine Selbstverständlichkeit. Trotzdem hat es mit der Zeit dazu geführt, dass wir immer weniger wertschätzen, was wir haben und unheimlich Vieles einfach wegwerfen. Nämlich rund 18 Mio. Tonnen pro Jahr und das allein in Deutschland. Jeder hat bestimmt schon mal Bilder gesehen, auf denen Menschen haufenweise frischer und guter Lebensmittel aus Müllcontainern holen, um zu demonstrieren, wie ernst die Lage tatsächlich ist. Aber wie kommt es zu diesen riesigen Mengen, wie zu diesem rücksichtslosen Verhalten? Wir alle wissen doch, dass es überall auf der Welt, auch in Deutschland, Menschen gibt, die keinen guten Zugang zu genügend Nahrung haben und sich über jedes bisschen dieser Mengen freuen würden. Und die meisten von uns haben in der Corona Pandemie selbst erlebt, dass volle Supermarktregale, der rund um die Uhr geöffnete Imbiss und die überall vorhandene Möglichkeit schnell etwas Gutes zu Essen zu finden nicht selbstverständlich sind. Warum tun wir dann noch immer so und behandeln die Lebensmittel wie wertlose Wegwerfwaren? Wann haben wir aufgehört, sie wertzuschätzen? Und warum lassen wir zu dass es immer schlimmer wird, wenn wir schon mitten in einer Krise stecken?
Nachgedacht über…Lebensmittelverschwendung
von Katharina Wenk


Für diese erschreckende Zahl gibt es viele Ursachen. Natürlich sind nicht allein die Verbraucher*innen schuld, doch laut einer Statistik der DUH machen sie mit 39% den größten Anteil aus. Klar, die Situation kennt jeder, da findet man noch ein bisschen Joghurt im Kühlschrank, den man vergessen hatte und jetzt ist er schlecht-weg damit. In dem Moment scheint es uns nicht schlimm, eine kleine Sache wegzuwerfen, doch am Ende sehen wir welche erschreckenden Mengen dabei zustande kommen. Das liegt im Regelfall daran, dass wir einfach viel zu häufig, anstatt uns richtig damit auseinanderzusetzen, etwas "lieber wegschmeißen". Und das meistens völlig zu Unrecht, denn viele Lebensmittel die in der Tonne landen sind eigentlich noch essbar. Das Problem ist, dass wir uns von vielen kleinen Dingen abschrecken oder in die Irre führen lassen. Das Paradebeispiel ist hier wahrscheinlich das MHD, also das Mindesthaltbarkeitsdatum. Viele denken, dass nach Ablauf des kleinen aufgedruckten Datums das jeweilige Produkt schlecht ist und nicht mehr gegessen werden sollte, doch das ist ein großer Irrtum. Denn wie der Name schon sagt, teilt es uns nur mit, wie lange das Produkt unter normalen Bedingungen und bei richtiger Lagerung mindestens haltbar ist. Danach müssen wir lediglich ein bisschen besser aufpassen, da jetzt keine Garantie mehr besteht. Wenn man sich, wie viele Expert*innen raten, einfach auf seine Nase verlässt und Geruch und Geschmack überprüft, kann man eigentlich gut feststellen, ob das Lebensmittel nun noch genießbar ist oder wirklich in die Tonne gehört.

Nicht zu verwechseln ist das MHD allerdings mit dem Verbrauchsdatum, das häufig auf schnell verderblichen Produkten wie frischem Fleisch oder Fisch zu sehen ist und den Tag angibt nach dem man die Ware wirklich nicht mehr verzehren sollte, da es von dort an schädlich werden kann. Noch vor den Fleisch- und Molkereiprodukten kommen auf der Rangliste der am häufigsten weggeschmissenen Nahrungsmittel jedoch Obst und Gemüse. Hier gibt es natürlich keine aufgedruckten Daten, doch das Problem ist, dass viele der Produkte, sobald sie etwas älter sind, nicht mehr neu und frisch aussehen, weil sie Flecken bekommen, weicher werden oder leicht verschrumpeln, was für viele dazu führt, dass sie es nicht mehr essen wollen, da sie die leichten Veränderungen und äußerlichen Mängel sofort mit schlechterer Qualität oder schlechterem Geschmack assoziieren. Doch ein paar kleine Flecken oder eine leichte Veränderung der Konsistenz machen das Nahrungsmittel nicht ungenießbar. Ob wir das Stück nun noch essen oder wegschmeißen, ist bis zu einem gewissen Grad (ab dem man sich wirklich sicher sein kann dass es verdorben und ungenießbar ist), eine reine Frage des Geschmacks. Doch damit sind wir bei einem weiteren wichtigen Treiber der Lebensmittelverschwendung, der für mich persönlich noch gravierender ist, da er seine Grundlage tief in der Gesellschaft und den Köpfen der Menschen hat. Dass wir alles, was wir nicht mehr essen möchten einfach wegwerfen, hat sich irgendwie etabliert, dadurch, dass es so ein großes Angebot gibt. Wir haben ja die Gewissheit, dass im Supermarkt jederzeit frischer Nachschub wartet. Doch genau hier liegt das nächste Problem; wir haben an Obst und Gemüse, das wir kaufen gewisse Erwartungen, was Aussehen, Geschmack und Frische angeht, das heißt wir wollen wenn wir in den Supermarkt gehen, dort den perfekten Apfel oder die perfekte Gurke finden. Wir schauen uns das Sortiment im Regal und kaufen meistens nur das, was wir schön finden, suchen uns die besten Obststücke aus, wodurch es gleich zu einer Aussortierung kommt. Der Markt bekommt die Botschaft, dass nur perfekte Äpfel gerne gekauft werden, die bestimmte Kriterien erfüllen, wie eine ordentliche Form, eine schöne Färbung und einen sortentypischen Geschmack. Daher gibt es auch für jedes Obst und Gemüse gesetzlich festgelegte Normen, die bestimmen wie eine Frucht aussehen muss, damit sie sich verkauft. Nun ist natürlich klar, dass Pflanzen, egal wieviel man sie zurechtzüchtet und mit Pestiziden vollspritzt, nur den Gesetzen der Natur unterliegen und wachsen wie sie wollen. Bei jeder Ernte gibt es unzählige kleine Unikate, Früchte die anders wachsen und ein neues, interessantes Aussehen aufweisen, auch "Culinary Misfits" genannt. Doch da kennen die gesellschaftlichen Erwartungen keine Gnade; was nicht der Norm entspricht, kann im Supermarkt nicht verkauft werden. Am Ende haben die Landwirt*innen keine andere Möglichkeit, als die großen Mengen an unkonventionellem Erntegut einfach zu entsorgen, noch bevor es überhaupt in den Handel gekommen ist. Das ist an sich schon eine riesige unnötige Verschwendung, doch es geht noch weiter, denn der Verlust der hier gemacht wird, wird in der Regel dadurch ausgeglichen, dass einfach noch mehr angebaut wird. Das ist selbstverständlich sehr ressourcenintensiv und ein großes Problem für die Umwelt, da automatisch mehr Anbaufläche, Wasser, Dünger, etc. benötigt werden. Trotzdem halten es die meisten für selbstverständlich, im Supermarkt immer ein großes Regal voller perfekter, glänzender Vorzeige-Äpfel zu finden, oder gerader Vorzeige-Gurken. Über den Rest, der nicht an die Gesellschaft kommt, weil er gnadenlos in die Tonne verbannt wird, denken sie gar nicht erst nach. Ist es okay, dass wir so mit unserem Essen umgehen? Denn diese ganzen frischen Produkte gibt es nur, weil Menschen viel Arbeit und Ressourcen investiert haben und all diese Äpfel und Gurken könnten einen riesigen Bedarf decken, wenn sie nur in ihrer äußeren Erscheinung genügen würden. Wie können wir dieses Vorgehen guten Gewissens unterstützen, wo Millionen von Menschen auf der Welt Hunger leiden? Wir haben Mitleid mit diesen Menschen, würden uns für sie auch eine bessere Welt wünschen, aber gleichzeitig schmeißen wir enorme Mengen an guten Lebensmitteln weg-oder sorgen zumindest dafür-einfach nur weil sie uns nicht schön genug sind? Wieso unterstützen wir das? Doch kommt dieser Druck wirklich noch durch die Verbraucher*innen oder haben sie inzwischen gar keine Wahl mehr? Wie gesagt, sieht das Sortiment im Supermarkt ja bereits makellos aus und wir bekommen das "echte" Obst und Gemüse gar nicht zu sehen. Wie soll sich dann etwas ändern? Auch wenn der Großteil unserer jetzigen Problemsituation der Industrie und der Politik zu verdanken ist, erfordert ihre Lösung auch ein Umdenken bei allen Menschen. Denn um die Verschwendung zu stoppen, müssen wir wieder lernen unser Essen wertzuschätzen-auch wenn das Angebot auf den ersten Blick unendlich groß wirkt. Zum Glück gibt es auch schon länger einige Möglichkeiten, sich für das aussortierte Erntegut sowie andere Lebensmittel auf dem Weg zum Müll zu engagieren. Viele Hof- oder Bioläden und auch manche Supermärkte bieten in teilweise großen Kisten Obst "zweiter Wahl" an, das dann meistens leichte Schäden oder unschöne Stellen aufweist, aber trotzdem einwandfrei genießbar ist. Manchmal gibt es auch ganze Regale mit aussortierten Lebensmitteln, die eigentlich den Laden verlassen müssten, da sie nicht mehr ganz frisch sind oder das MHD überschritten haben und jetzt im Sonderangebot sind. Außerdem gibt es mittlerweile immer mehr Läden, die sich überall auf der Welt darauf spezialisiert haben, aussortierte Lebensmittel zu verkaufen, die entweder kurz vor dem Ablaufen stehen oder nicht schön genug sind, um im Supermarkt verkauft zu werden. Diese bieten dann sowohl für das Produkt, als auch für den Käufer eine Win-Win-Situation, da die Ware meistens auch günstiger ist, oder man den Preis sogar selbst bestimmen kann. Es lohnt sich also allemal, einmal in einem dieser Läden vorbeizuschauen und auf Rettungsmission zu gehen. Zum Beispiel im Internet findet man nicht nur Adressen und Apps zum rücksichtsvollen Einkaufen, sondern auch viele Tipps, wie man nicht mehr ganz frisches Obst und Gemüse oder auch Teile wie Blätter und Stiele, die wir eigentlich nicht mitessen würden, noch ganz bequem weiterverarbeiten kann. Wir sollten uns also nur ein wenig mehr auf unsere Nase verlassen, wenn es darum geht, ob ein Produkt noch gut ist, versuchen, jedes Lebensmittel das wir haben wertzuschätzen und uns zweimal zu überlegen, ob wir es vielleicht noch verwenden können. Denn gute, frische Lebensmittel sind keine Selbstverständlichkeit und wir sollten dankbar für das sein, was wir bekommen können und vielleicht auch akzeptieren, dass Naturprodukte nicht immer perfekt aussehen müssen, um gut und genießbar zu sein.
Quellen:
https://www.duh.de/projekte/lebensmittelverschwendung/


